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BETTINA SCHELKER (solo)
Bettina Schelker steht auf der Bühne. Schonungslose Selbstfindung im hochtourigen Gitarren-Rhythmus. Die Stimme kommt in Fahrt. Schafft einen Übergang vom gesprochenen Wort in den Sound des Gesangs. Die Stimme vibriert im hämmerndem Stakkato. Mal schmeichelnd, mal scheidend scharf, schafft sie sich hinauf zu einem infernalischen Heulen. Kitzelt, flirtet, fordert und setzt Energie frei. Hochgepeitscht von der Ehrlichkeit und Aufregung, zu der das emotionale Selbstbewusstsein und die Fantasie eines weiblichen Individuums fähig sind. Hämmernder, hypnotischer Sound, pulsierender Schlagzeug-Beat gepaart mit messerscharfen, genauen Texten. Sparsam im Umgang mit Worten, aber was sie schreibt hat Kraft. Hat die Kraft einer ambivalenten Erotik. Selbstfindung. Eine Frau, die Poesie im Rhythmus der Rock-Musik schreibt.
Die Mischung aus persönlicher Erkenntnis und poetischem Feeling schafft nur eine echte Persönlichkeit. „Ich sehe mich als Singer/Songwriterin“, sagt Bettina Schelker: „Ich mache das, was ich will und würde mich durch niemanden musikalisch in irgendeiner Form einschränken lassen.“ Sie heizt dem Publikum ein. „Ich will die Leute packen, aber auch spüren, das vom Publikum etwas zurück kommt. Rock-Musik als Energieaustausch und ab geht die Reise Richtung intensiver Momentaufnahme. „Ich vergleiche unsere Auftritte manchmal mit einem fahrenden Zug,“ sinniert Bettina Schelker: „Die Leute können unterwegs aufspringen, aber ich bin der Lokführer“.
Das gibt es noch in diesen seltsamen Tagen, in denen selbst Bob Dylan schon mal beim Papst aufspielt und Rock'n'Roll vielerorts nur noch zum Werbesoundtrack verkommen ist und die Bands zunehmen aus Retorten steigen, dass da jemand auf die Bühne steigt und ehrliche Musik für die Kids da draussen macht. Man fragt sich wer steckt dahinter, wer ist die Bettina Schelker überhaupt.
Ende der 80er Jahre ist sie mit drei Coverbands unterwegs. Erste Schritte im Rock-Business. Die jugendliche Energie reibt sich an Songs damaliger Helden. Das genügt auf Dauer nicht. Bettina Schelker beginnt eigene Songs zu schreiben und gründet 1994 ihre eigene Band „Polschtergruppe“. Zwei Jahre später erscheint die CD „Rose“. Bettina Schelker erhält einen Major-Vertrag, den sich ein Jahr später desillusioniert wieder auflöst. 1998 läuft auch die Zeit der Band ab. Zeit für Änderungen. Bettina Schelker gründet das eigene Label „foundagirl“. Fortan will sie alles selbst unter Kontrolle haben. Keine Kompromisse mehr mit halbherzigen Business-Leuten. Die zweite LP „Durst“ wird konsequent mit Rucksack, Stadtplänen und Auto vertrieben. „Das war zwar eine gute Erfahrung, aber auch mühsam“, konstatiert Bettina Schelker im Nachhinein. Die Folge: „foundagirl“ rüstet auf: Management, Homepage, MitarbeiterInnen. Beziehungsfelder werden geknüpft. Alles läuft auf freundschaftlicher Basis. Persönliche Interessen sind wichtiger als kommerzielle Gesichtspunkte. Es wird eine dritte CD vorbereitet. 2001 erscheint „Klischee". Dahinter stehen Bettina Schelker und Band. Und die Band besteht aus dem Schlagzeuger und jahrelangen Schelker-Seelenverwandten und Mitstreiter David Dreyer. Dazu sagt Bettina Schelker: „David und ich ergänzen uns musikalisch und menschlich optimal. Wir ziehen beide am selben Strick. Das Projekt Bettina Schelker und Band ist unser Lebensinhalt.“ Im Hintergrund hilft jetzt Barbara Vetsch als Managerin, Fotografin und Mädchen für alles, die Fäden zu ziehen.
„Klischee“ bekommt überall gute Kritiken. Der Titel „Meinst Du mich“, wird von der SWR 2 Liederbestenliste auf Rang 6 gewählt. Auf der CD singt Bettina Schelker erstmals auf Mundart, Englisch und Deutsch. Dazu sagt die Songwriterin: „Auf den ersten beiden CDs habe ich nur Mundart gesungen. Jetzt hatte ich das Bedürfnis, einmal Lieder auf Hochdeutsch zu singen. Bei einem Konzert erfuhr ich sehr positive Reaktionen aus dem Publikum, was zu den deutschen Liedern auf Klischee geführt hat. Auf den englischsprachigen Song bin ich gekommen, weil man sagt, wenn ein Liedtext zu persönlich wird, sollte man die Sprache wechseln. Dazu kommt die enorme Ausdruckskraft dieser Sprache.“ Auf den Titel „Klischee“ angesprochen sagt Bettina Schelker: „Ein Klischee ist eine Meinung, die von der Gesellschaft vorgegeben wurde und irgendetwas zu schubladisieren versucht. Ein Klischee kann durchaus auch etwas Positives beinhalten, schliesslich wollen einen die Leute ja auch in dieser Schublade ablegen. Sie brauchen dieses Klischees auch punkte Aussehen, Stilrichtungen und so weiter – damit kann ich als Musikerin auch spielen.“
Letzteres gehört zu den Stärken von Bettina Schelker. Selbstironie, spielerischer Umgang (mit Worten und Begebenheiten) sind der Vegetarierin nicht fremd. Augenzwinkern und der Schalk im Blick helfen mit, in einem Business zu bestehen, dessen Strukturen nur noch aus Luftblasen zu bestehen scheinen: „Ich habe manchmal das Gefühl am Radio oder Fernsehen gibt es nur noch einen Song mit austauschbaren Namen und austauschbaren Künstlern. Die Plattenindustrie reagiert hier völlig selbstzerstörerisch. Mir fehlt dabei das etwas Bodenständige, Rauhe und das Sich-gegen-diese-Maschinerie-stellende.“ Bettina Schelker bewegt sich schon seit Jahren ausserhalb dieses Kuchens. Und sie spürt, dass sich hier noch etwas bewegen lässt. Bettina Schelker ist überzeugt davon, dass hier ein unheimliches Potential und eine grosse Substanz vorhanden sind. Das ist es auch, was sie sich bewahren will: „Meine Unabhängigkeit. Sie ist es, die es mir erlaubt, mich mit meiner Gitarre und meinem Schlagzeuger hinzustellen und zu singen.“ Und es bereitet ihr Genugtuung und Freude, dass es inzwischen immer mehr Leute gibt, die sie auch hören wollen. Das ist gut so. Denn Bettina Schelker hat auch etwas zu sagen...
René Matti
Webseite: http://www.foundagirl.com/; http://www.myspace.com/bettinaschelker
Wilhelmstr. 9 in 10963 Berlin - Xberg
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